Johannes Jung ist von Geburt an Vegetarier. Bereits im Alter von 13 Jahren entschied er sich für eine rein pflanzliche Ernährung. Seit dieser Zeit setzt er sich auch mit aller Kraft aktiv für Tierschutz und die Förderung der veganen Lebensweise ein. Seit Anfang 2014 arbeitet der überzeugte Tierrechtler mit dem Projekt Erdlingshof an der Erfüllung seines Lebenstraums.
Johannes, du bist bereits seit deiner Geburt Vegetarier. Hast du aus diesem Grund als Kind oder Jugendlicher jemals Ausgrenzungen erfahren? Oder hatte es generell Auswirkungen auf deine sozialen Kontakte?
Da meine Mutter voll hinter der vegetarischen Ernährung stand, hatte sie immer ausreichend vorgesorgt. Wenn ich z. B. in der Schule mein Essen auspackte, machten selbst die LehrerInnen Bemerkungen wie »Das sieht aber wirklich lecker aus!«.
Bekam ich z. B. Gummibärchen geschenkt, wusste ich, dass ich sie zu Hause gegen vegetarische Gummibärchen ohne Gelatine umtauschen konnte. Denn mir war damals schon bekannt, aus was Gelatine hergestellt wurde und Tiere wollte ich nun wirklich nicht essen, da ich sie als Freunde ansah.
Was war der Auslöser für dich, einen Schritt weiter zu gehen, hin zu einer rein pflanzlichen Ernährung?
Früher dachte ich, dass Tiere nur für die Fleischproduktion leiden und sterben. Als mir bewusst wurde, dass sie selbst für Milch und Eier leiden und sogar sterben müssen, habe ich mich mit 13 Jahren für die vegane Ernährung entschieden.
Ich dachte damals ernsthaft, Kühe müsse man melken, sonst platze ihnen das Euter. Auch war mir nicht bewusst, was mit den männlichen Kälbern geschieht, die geboren werden und dass auch das Leben jeder Milchkuh in der Regel, wenn die Leistung nicht mehr stimmt, früher oder später im Schlachthof endet. All dieses Leid wollte ich durch meine Ernährung nicht weiter unterstützen.
Du engagierst dich seit vielen Jahren mit Herzblut und äußerst effektiv für die Rechte der Tiere. Kannst du uns einige Beispiele für deine Aktivitäten nennen?
Mein wichtigstes Werkzeug für die Tiere ist meine Stimme und die habe ich auch überall dabei. So habe ich schon etliche Menschen über das Thema Tiere Essen zum Nachdenken gebracht. Schon in jungen Jahren habe ich verwaiste Tierbabys aufgepäppelt und Tiere vor dem Schlachter gerettet und so gut es geht versucht, ihnen ein schönes Restleben zu ermöglichen. Ich organisiere Infoveranstaltungen, um die Menschen über die vegane Ernährung zu informieren. Wann immer ich in der Großstadt unterwegs bin, halte ich ein aufmerksames Auge auf die dort lebenden Stadttauben (zum Großteil ehemalige Brieftauben und deren Nachkommen), denn etliche von ihnen leiden massiv unter fehlenden Gliedmaßen, die durch Abschnürungen aufgrund von umherliegenden Schnüren und Bindfäden bedingt sind. Diese Tauben versuche ich zu fangen und ihnen vor Ort zu helfen. Findet man sie früh genug, so kann man sie oft noch vor dem Schlimmsten bewahren.
Seit Anfang 2014 führe ich den Erdlingshof, einen Lebenshof im Bayerischen Wald, auf dem wir Tieren, die der Nutztierhaltung zum Opfer gefallen sind, ein Zuhause geben. Der Erdlingshof möchte seinen Schwerpunkt auch auf die Schattenseiten der Milchgewinnung legen, da meiner Meinung nach den wenigsten Menschen bewusst ist, wie viel Leid hinter der Milch steckt. So haben wir einen besonderen Fokus auf den »Abfall« der Milchindustrie gesetzt und das sind die Bullenkälber, denn die trifft es, egal ob bio, konventionell oder Demeter, alle gleich. Männliche Tiere geben keine Milch und sind daher für die Milchgewinnung wertlos und werden früher oder später getötet. Daher leben auf dem Hof eben auch solche Bullen, die vor der Milchindustrie gerettet wurden.
Was entgegnest du auf das Argument, es gäbe doch viel wichtigere Probleme?
Wenn man sich das als Leitsatz nimmt, dass es noch etwas Schlimmeres gibt, könnte man nirgendwo helfen, denn Schlimmeres gibt es immer irgendwo. Ich denke, es ist unwichtig, ob es woanders Leid gibt, was vielleicht schlimmer ist. Wo immer Leid vorhanden ist, gilt es, dieses zu lindern.
Fast alle Menschen lieben Tiere und lehnen Tierquälerei ab. Doch in den meisten Fällen beschränkt sich diese Tierliebe leider auf bestimmte Tierarten. Woran liegt das deiner Meinung nach?
In erster Linie ist es Erziehungssache. Wir wachsen in einem System auf, in dem wir vorgelebt bekommen, es gibt Tiere erster Klasse und Tiere zweiter Klasse. Eben die einen Tiere, die wir lieben und schützen, und die anderen, die wir töten und essen. Es ist wichtig, dass wir unsere Gewohnheiten hinterfragen und nicht einfach alles übernehmen — eigenständiges Denken ist also gefragt!
Was sagst du Leuten, die sich für Tierschutz einsetzen, jedoch selbst tierliche Produkte konsumieren?
Der effektivste Tierschutz ist eine rein pflanzliche Ernährung, denn Schlachten ist kein Tierschutz!
Gibt es etwas, was deinen Hof von anderen Lebenshöfen oder Tierheimen unterscheidet?
Auf dem Erdlingshof werden alle Erdlinge vegan ernährt, weil wir keine Unterschiede machen zwischen sogenannten Haus- und Nutztieren. Wir achten alle Tiere gleichermaßen. Im Gegensatz zu Tierheimen vermitteln wir keine Tiere, sondern die Tiere, die es auf den Hof geschafft haben, dürfen hier in Würde alt werden. Desweiteren hat der Hof es sich zur Aufgabe gemacht, verstärkt Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, so dass nicht nur den Tieren auf dem Hof geholfen wird.
Der Hof möchte durch Pressearbeit viel für eine tierfreundliche vegane Ernährung erreichen, was uns zurzeit auch sehr erfolgreich gelingt. Das Ziel ist, dass Orte wie der Erdlingshof irgendwann der Vergangenheit angehören und dass es bis dahin selbstverständlich geworden ist, dass Tiere nicht als Nahrung angesehen werden, sondern als fühlende Lebewesen. Wir unterscheiden uns außerdem dadurch, dass wir den Schwerpunkt auf Bullen gesetzt haben, also den »Abfall« der Milchproduktion.
Was sagst du zu dem so häufigen Argument, dass die einzelnen BürgerInnen nichts ändern können und dass die PolitikerInnen handeln müssen?
Was wir nicht kaufen, wird nicht produziert! Jede(r) Einzelne hat eine gewisse Mitverantwortung und die kann er an der Ladentheke nicht einfach abgeben. Wenn wir auf die Politik warten wollen, dann können wir lange warten!
Hast du Tipps für Kinder oder Jugendliche, die sich für die vegetarisch/vegane Lebensweise entscheiden, hinsichtlich des Umgangs mit ihrem Umfeld, d. h. ihren FreundInnen, Eltern, LehrerInnen usw.?
Erst einmal finde ich es lobenswert, wenn jemand schon in so jungen Jahren diese Entscheidung für sich getroffen hat oder treffen möchte und kann nur sagen: Du tust genau das Richtige.
Ich glaube, man sollte nicht versuchen, die Menschen in seinem Umfeld zu überzeugen, sondern einfach als Vorbild das Vegansein vorleben. Und nur vegane Diskussionen führen, wenn das Gegenüber das Gespräch sucht. Generell ist es so wie Gewalt Gegengewalt erzeugt, so erzeugt Druck Gegendruck, d. h. je mehr du versuchst, deine Freunde davon zu überzeugen, je weniger können sie es annehmen. Also versuche es gar nicht und genieße einfach dein veganes Leben und zeige ihnen, wie lecker vegan ist und sie werden schon von ganz allein neugierig.
Und zum Schluss: verrate uns doch bitte noch dein Lieblingsgericht.
Mein Lieblingsgericht ist Nudelauflauf.