Silja Kallsen-MacKenzie ist seit viereinhalb Jahren bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt beschäftigt, wo sie den Bereich der Unternehmenskampagnen leitet. Dies gibt ihr die Möglichkeit, sich vollberuflich für ihr Herzensthema zu engagieren.
Silja, wie bist du zur Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt gekommen?
Mich hat damals eine Freundin auf die Stiftung aufmerksam gemacht – durch einen Flyer, der zur Bundestagswahl über die Tierschutzpositionen der Parteien informierte. Danach wurde der wöchentliche Newsletter der Stiftung meine Lieblingslektüre am Sonntagmorgen. Als dann eine Praktikumsstelle frei wurde, war ich eigentlich inmitten von Vorbereitungen für mein zweites Studium – ich habe trotzdem nicht gezögert, mich zu bewerben – und wurde zur ersten Praktikantin der Stiftung. Nach einem halben Jahr konnte ich glücklicherweise fest angestellt werden.
Kannst du uns die Arbeit der Stiftung und speziell deinen Bereich kurz vorstellen?
Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt setzt sich gegen die industrialisierte Massentierhaltung und für eine vegane Lebensweise ein. Unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickeln wir Kampagnen mit Hebelwirkung, die vor allem die Bereiche Wirtschaft und Verbraucherinformation sowie auch Recht und Politik umfassen.
Das Unternehmenskampagnen-Team verfolgt das Ziel, über die Zusammenarbeit mit der Lebensmittelbranche den Weg zu einer tierfreundlicheren Nahrungsmittelproduktion anzuregen, zu fördern und mitzugestalten. Das bedeutet konkret, dass wir mit Unternehmen beispielsweise über die Auslistung besonders tierquälerischer Produkte wie Stopfleber und Käfigeier verhandeln. Im Idealfall endet der Austausch mit einem Unternehmen nicht auf dieser Stufe und wird weitergeführt, indem wir gemeinsam an der Schaffung und der Ausweitung eines rein pflanzlichen Angebots arbeiten.
Weshalb hast du dich gerade für die Unternehmenskampagnen entschieden?
Die Arbeit hier finde ich unheimlich spannend, weil man mit den Unternehmen in direkten Kontakt tritt und bestenfalls gemeinsam an Lösungen arbeitet, statt nur mit dem Finger auf sie zu zeigen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass man auf diese Art und Weise sehr viel für die Tiere bewegen kann.
Nenne uns doch bitte einige eurer größten Erfolge?
Im Rahmen der Käfigfrei-Kampagne haben wir dazu beigetragen, dass im Großteil der verarbeiteten Lebensmittel im Lebensmitteleinzelhandel keine Käfigeier mehr verwendet werden. In praktisch allen Supermärkten und in den meisten Cash & Carry Märkten (z. B. Metro) sind Schaleneier aus Käfighaltung ebenso verschwunden. Und das ist oft nur der erste Schritt. Mit noch mehr Freude erfüllt es mich, wenn wir mit Unternehmen zum Thema »vegan« zusammenarbeiten. Ein veganes Angebot gibt es jetzt zum Beispiel bei LE CROBAG, Starbucks und Der Beck (in Bayern) und schon seit einiger Zeit (auch dank anderer Organisationen) in etlichen Mensen.
Seid ihr auf die Unterstützung der VerbraucherInnen angewiesen und wenn ja, auf welche Weise können Einzelpersonen etwas bewirken?
In der Vergangenheit haben wir immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es definitiv einen Unterschied macht, wenn VerbraucherInnen sich selbst an Unternehmen wenden. Wenn sich die Anfragen häufen, kann uns das bei der Überzeugungsarbeit sehr behilflich sein, beispielsweise wenn ein Unternehmen auch dadurch die Relevanz eines veganen Angebots erkennt oder realisiert, dass nicht unbemerkt bleibt, wenn z. B. Käfigeier verwendet werden. Wichtig dabei ist natürlich, dass VerbraucherInnen fair mit den Unternehmen kommunizieren und auch kleine Schritte des Unternehmens anerkennen. Ein Unternehmen, das beschimpft wird, können wir sehr viel schwieriger für ein veganes Angebot begeistern. Generell sollte man die Macht der VerbraucherInnen nicht unterschätzen.
Das klingt alles sehr freundlich und kooperativ. Überlasst ihr die härteren Gangarten anderen Organisationen?
Ja und nein. Wir versuchen grundsätzlich immer, konstruktive Lösungen zu finden. Wenn das nicht klappt, dann erhöhen wir den Druck schrittweise. Als Außenstehender bekommt man davon in der Regel nichts mit, weil sich die Erfolge meistens einstellen, bevor wir zum Mittel der öffentlichen Kampagne greifen müssen. Kürzlich hat uns ein Unternehmen als »Schreckgespenst der Lebensmittelindustrie« bezeichnet, aber ich denke, dass sich deutlich mehr Unternehmen finden lassen, die uns als als konstruktiven Ansprechpartner wahrnehmen.
Denkst du, dass BerufsaktivistInnen und ehrenamtliche AktivistInnen zueinander in Konkurrenz stehen?
Nein, das denke ich auf keinen Fall – im Idealfall ergänzt sich die Arbeit. Die Bewegungen sind auf das Schaffen der zahllosen ehrenamtlichen AktivistInnen angewiesen.
Welche Arten des Tierschutz-/Tierrechts-Aktivismus hältst du für besonders wirksam?
Auf NGO-Ebene denke ich nicht, dass es nur den einen Weg gibt. Es gibt viele Ansätze, die ich für sinnvoll halte und die im Zusammenspiel eine Menge bewirken können. Privat habe ich die Erfahrung gemacht, dass es wirksamer ist, die vegane Lebensweise auf positive Art vorzuleben, anstatt zu missionieren. Zumindest in meiner Familie hat das gut funktioniert: Meine jüngere Schwester lebt inzwischen vegan, meine Eltern und ältere Schwester ernähren sich vegetarisch.
Hast du Tipps für Menschen, die sich beruflich für Tierrechte und die vegane Lebensweise engagieren möchten?
Die wunderbare Jasmin von der US-Organisation Our Hen House hat dazu einen empfehlenswerten Artikel verfasst (auf Englisch). Zwei wichtige Tipps daraus: Ehrenämter und (noch besser) Praktika bei Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen verschaffen einen guten Einblick und können ggf. zu einem beruflichen Einstieg führen. Im Idealfall bewirbt man sich in einem Bereich, in dem die eigenen Fähigkeiten aus Studium und/oder Beruf eingebracht werden können. Gleichzeitig kann ich nur empfehlen, auch den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.
Anstelle eines Neuanfangs im Nonprofit-Sektor kann es auch sinnvoll sein, zu prüfen, inwiefern man die Thematik in seinen jetzigen Beruf/Berufsalltag einbringen kann – ob nun in der Pause (z. B. KollegInnen veganes Essen schmackhaft machen oder in der Kantine vegane Gerichte anregen) oder aber tatsächlich während der Arbeitszeit (beispielsweise als Lehrkraft entsprechende Themen im Schulunterricht diskutieren).
Und zum Schluss: verrate uns doch bitte noch dein Lieblingsgericht.
Eines meiner Lieblingsgerichte stammt von Ani Phyo, einer in den USA bekannten Rohköstlerin: Thailändische Sommerrollen mit einem exotischen Mandelmus-Dip. Das Rezept kann man natürlich auch ohne Vitamix zubereiten, ein einfacher Pürierstab tut es auch.