Vegan mit über 90 Jahren

EdithDie 1923 geborene Edith ist noch immer voller Energie und Lebensfreude. Im Alter von 91 Jahren ging sie einen ganz besonderen Schritt – die große Tierfreundin entschied sich für eine pflanzliche Lebensweise. Lernen Sie die eindrucksvolle und sympathische Frau in unserem Portrait lernen.

Edith, zuerst einmal Respekt für diese ja nicht alltägliche Entscheidung, mit 91 Jahren den Schritt zur veganen Lebensweise zu gehen! Wie kam es dazu?

Den Anstoß bekam ich durch meine Enkelin. Als junge Tierschützerin war sie der Meinung, jedes Lebewesen hätte ein Recht auf Leben. Deshalb lehnte sie es irgendwann ab, Tiere bzw. tierische Erzeugnisse zu essen. Ich wollte natürlich gerne weiterhin für sie kochen, also begann ich, meine üblichen Rezepte umzustellen. Dabei wurde auch mir immer klarer, wie sehr Tiere für die Nahrungsmittelindustrie leiden müssen und das wollte ich nicht mehr hinnehmen. So begann auch ich, meinen eigenen Speiseplan umzustellen.

Wie hat deine Familie, wie haben deine Freundinnen und Freunde diese Entscheidung aufgenommen? Hast du eher Unverständnis oder Unterstützung erfahren?

Nach meiner Enkelin hatten auch mein Enkel und meine Schwiegertochter zur veganen Lebensweise gefunden. Auch mein Sohn, der sich zwar nicht selbst als Veganer sieht, respektiert die Entscheidung und isst auch oft vegan mit. Meine Freundinnen haben mich zunächst etwas belächelt, jedoch habe ich sie schnell mit ein paar Kostproben davon überzeugen können, dass Essen ohne Fleisch und Milch keineswegs einen Verzicht bedeutet. Mittlerweile haben auch sie über das Fernsehen einige traurige Vorfälle in der Massentierhaltung zur Kenntnis genommen. So respektieren sie meine Entscheidung nicht nur, sondern sympathisieren auch selbst damit, Fleisch zu reduzieren. Für sie ist leider noch das geringe oder schlechte vegane Angebot auf dem Land ein Hindernis. Gerade alteingesessene Gastwirte aus der Umgebung weigern sich in vielen Fällen einfach, vegan zu kochen. Und falls sie es doch tun, wirkt es oft eher lieblos.

Hast du es auch deinen Ärztinnen und Ärzten mitgeteilt und wenn ja, wie haben diese reagiert?

Von meinem Arzt erhielt ich Blutdruck senkende Medikamente. Als ich ihm anfangs erklärte, dass ich mich in Zukunft mehr vegan ernähren wollte, lächelte er bloß und meinte, darauf gebe er nichts. Nach einer Weile begann ich jedoch eigenständig, das Quantum stark zu reduzieren. Bei der nächsten Untersuchung nach einem halben Jahr war mein Arzt sehr erstaunt: Mein Blutdruck war stark gesunken. Er fragte, was ich denn anders gemacht hätte. Ich erzählte ihm von meiner veganen Lebensweise und von der weitgehenden Absetzung der Medikamente. Seine Antwort: »Machen Sie weiter so!«

Du bist aktiver als viele Menschen, die um einiges jünger sind. Was hält dich jung, wie sieht dein typischer Tagesablauf aus?

Den Tag beginne ich immer mit leichten Gymnastikübungen. Danach löse ich ein paar Kreuzworträtsel und anschließend bringe ich meinen Kindern die Zeitung. Dabei lege ich eine Strecke von 3 km zurück. Ich bin viel in meinem Garten aktiv und führe auch meinen Haushalt allein. An festen Terminen in der Woche mache ich Yoga und treffe mich mit Freundinnen zum Kartenspielen. Bis vor Kurzem war ich auch lange Zeit im Tanzkreis.

In über 90 Lebensjahren hast du vermutlich viel erlebt und gesehen, Schönes ebenso wie Schlimmes. Gab es Momente, die dich besonders geprägt haben?

Die Ereignisse, die mich besonders geprägt haben, sind die, die meine Familie betreffen.

Zu den schlimmen Erlebnissen zählt natürlich die Flucht von meinem Zuhause in Oberschlesien im Jahr 1944. Auf dieser Flucht erlebte ich das Bombardement von Dresden mit und den Tod meines Vaters. Viele Jahre später, nachdem wir in Schleswig-Holstein sesshaft geworden waren, starben mein Bruder und meine Mutter und vor wenigen Jahren musste ich auch den Tod meiner Tochter erleben.

Die schönsten Erlebnisse sind für mich die erfreulichen Ereignisse in meiner Familie. Angefangen damit, dass ich als Kind liebe Geschwister bekam, dann über die Hochzeit mit meinem Mann und dass er trotz sechs Verwundungen aus dem Krieg zurückkam. Schließlich, dass ich eigene Kinder bekam und aus der Nähe miterleben durfte und darf, wie meine Enkel- und Urenkelkinder heranwachsen. Gerade auch auf den Erfolg meiner Enkelkinder im Beruf und in der beruflichen Ausbildung bin ich besonders stolz. Zu sehen, wie meine Familie immer größer wird und gesund und munter bleibt, bereitet mir die größte Freude.

Denkst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Tiere und der gegen Menschen?

Ich denke schon. Menschen, die Tiere zu irgendwelchen Zwecken quälen, verrohen ja regelrecht. Natürlich wird so eine Person auch eher dazu bereit sein, einem Menschen Gewalt anzutun.

Würdest du sagen, dass sich in der Einstellung der Menschen anderen Lebewesen gegenüber etwas geändert hat? Wenn ja, in welcher Form?

Es hat sich schon viel geändert. Dort, wo ich als Kind lebte, haben sich viele Leute als Selbstversorger in Sachen Fleisch ein paar wenige Tiere gehalten. Dabei hatten die Tiere deutlich mehr Platz und Freiraum als es heute oft der Fall ist. Man konnte eben nur so viele halten, wie man auch auf seinem Land ernähren konnte. Das Verhältnis zu den Tieren, solange sie lebten, war deutlich persönlicher, fast schon familiär, gerade auch was den Umgang der Kinder mit ihnen anging. Die Kinder verbrachten viel Zeit mit den Tieren. Wenn so ein Tier geschlachtet wurde, durften die Kinder oft gar nicht wissen, woher das Fleisch kam, weil sie sonst unglücklich gewesen wären. Oft wurden die Tiere eher in Hausnähe gehalten als in einem abgelegenen Stall, sodass es schon fast Haustiere waren. Insgesamt kann man sagen, dass das Verhältnis von Mensch und Tier von deutlich mehr Respekt, Wertschätzung und Sympathie geprägt war als es heute oft der Fall ist.

Hast du die Entscheidung zur pflanzlichen Lebensweise jemals bereut?

Nein, ich kann gar nicht mehr anders. Für mich ist das Essen so viel schmackhafter, natürlicher, unkomplizierter, vielseitiger und vor allem gesünder als früher.

Gibt es etwas, was du den jungen Menschen von heute mit auf den Weg geben möchtest?

Das Wichtigste: Nehmt euch Zeit. Nehmt euch einfach Zeit, geht raus in die Natur und belauscht die Tiere. In freier Natur kann einem nicht langweilig werden, denn es gibt so viel Schönes zu sehen und zu erleben, wenn man sich dort bewegt. Wenn man einfach und natürlich lebt, kommt man auch nicht auf verrückte Ideen.

Und zum Schluss: Verrate uns doch bitte noch dein Lieblingsgericht.

Mein Lieblingsgericht ist eine Gemüsepfanne aus Bio-Gemüse oder besser noch aus Gemüse aus dem Garten meiner Kinder. An Gemüse nehme ich, was gerade da ist, meistens Karotten, Kohlrabi, Frühlingszwiebeln, Paprika, Tomaten, Sellerie, Brokkoli, Kohl und dazu Kartoffeln, Petersilie, Salz und ein paar einfache Gewürze. Das Ganze wird in Öl angebraten, bis es eine schön bissfeste Konsistenz hat.

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