David (21) und Annelie (24) kommen beide aus Kiel und spielen gemeinsam in der Band »wirmaschine«. Vegan lebten aber beide schon, bevor sie sich kannten, David seit bald zwei und Annelie seit bald sechs Jahren. Annelie ist darüber hinaus seit gut 1,5 Jahren in der Hochschulgruppe für Tierrechte Kiel aktiv.
Annelie und David, wann und weshalb habt ihr euch für ein veganes Leben entschieden?
Annelie: Das ist bei mir im Frühjahr schon sechs Jahre her. Das »Weshalb« ist eine gute Frage, auf die ich nicht so wirklich eine Antwort weiß. Irgendwann war es einfach so, als hätte sich bei mir ein Schalter im Kopf oder vielmehr im Herzen umgelegt. Es war nicht so, dass ich eine bestimmte Doku gesehen oder ein besonders bewegendes Zusammentreffen mit einem vegan lebenden Menschen gehabt hätte. Ich bin auch relativ direkt ohne große »vegetarische Umwege« zu einer veganen Lebensweise übergegangen. Ich hatte zwar vorher immer mal wieder mit vegetarisch lebenden Leuten zu tun, aber einen direkten Zusammenhang mit meinem eigenen Umstieg gab es da nicht.
David: Das war bei mir anders. Zum einen habe ich schon einen gewissen »vegetarischen Umweg« durchlaufen — ungefähr ein Jahr habe ich vegetarisch gelebt — und zum anderen hatte ich in meinem Freundeskreis schon länger eine stetige Anzahl von vegetarisch und vegan lebenden Menschen. Da gab es recht regen Austausch und deren Argumente und Beispiele haben sicherlich zu meiner letztendlichen Entscheidung beigetragen.
Wie haben eure Familien/Freunde darauf reagiert? Was waren ihre Hauptargumente?
David: Im Ganzen war die Reaktion recht positiv. Meine große Schwester hat vor ein paar Jahren schon einmal eine Zeit lang vegetarisch gelebt. Tatsächlich hielten es meine Eltern anfangs für eine Art spätpubertäre Phase. Die restlichen Standardargumente gab es natürlich auch, vor allem betont man bis heute gerne, dass man ja eh sehr wenig Fleisch isst und wenn, dann nur sehr bewusst und bio etc. Nach relativ kurzer Zeit haben sich aber alle daran gewöhnt und es war nicht mehr andauernd Thema. Meine Eltern haben sich teilweise sogar richtig eingelesen, obwohl sie bei ihrer Ernährung geblieben sind, zeigen sie grundsätzlich reges Interesse. Irgendwann hat mir meine Mutter sogar einmal gesagt, dass sie ein bisschen stolz ist, dass ich trotz der Sprüche meine Linie durchziehe. So kann es halt auch gehen, da habe ich schon Glück mit meiner Familie. Heute kochen meine Eltern oft auch vegan für mich, wenn ich sie besuche — was auch mit daran liegt, dass sie jetzt sehen, dass das viel einfacher ist als oft angenommen.
Annelie: Bei mir war das ein bisschen problematischer. Als Tochter eines Schweinezüchters auf dem Dorf war das schon eine seltsame Sache. Gerade meine Familie hatte und hat auch immer noch daran zu knabbern. Wirklich verstehen, warum ich vegan lebe, tun meine Eltern glaube ich bis heute nicht, für sie ist es eine sehr extreme Haltung. Für meine FreundInnen war das aber insgesamt keine große Sache, bis auf die üblichen flachen Witze habe ich größtenteils die klassische Reaktion »Find ich ja total nachvollziehbar, was du da machst — aber ich könnte das nie!« mitbekommen.
Wie seid ihr damals mit der Situation umgegangen? Und macht ihr heute etwas anders?
Annelie: Naja, was sollte ich machen? Ich war von meiner Sache überzeugt, bin es immer noch, und weiß, dass meine Familie dafür wohl nie wirklich ein Gespür entwickeln wird. Das soll man auch erst einmal machen: Seine ganze Identität als Landwirt in Frage stellen. Ich wusste damals schon, dass ich nicht groß auf Unterstützung bauen sollte. Glücklicherweise war meine Entscheidung, fortan vegan zu leben, fast zeitgleich zu meinem Abitur und meinem Auszug, sodass ich mich nur für ein paar Monate täglich mit meinen Eltern diesbezüglich auseinandersetzen musste. Ich weiß nicht, wie lange das sonst gut gegangen wäre, aber so lief das alles relativ problemlos und ohne viel Streit ab.
Mit den Jahren merke ich aber, dass es mir immer schwerer fällt, das Unverständnis meiner Familie zu akzeptieren und mich jedes Familienfest aufs Neue erklären und rechtfertigen zu müssen. Ich weiß aber auch, dass es nichts nützen wird, den Holzhammer herauszuholen — meine Familie liebt mich und ich sie, das wird sich auch nicht ändern. Ich denke und hoffe, dass sie sich irgendwann von alleine mit meinen Beweggründen ernsthaft auseinandersetzen werden, wenn sie akzeptieren, dass meine vegane Lebensweise eben nicht »nur eine Phase« ist.
David: Ich vermute, an so etwas muss sich jeder gewöhnen, der in irgendeiner Form einen alternativen Lebensstil wählt, selbst wenn es sich »nur« um eine andere Ernährungsweise handelt. Ich versuche heute, weniger zu »missionieren« als früher. Das wahre Interesse an einem Ideal erfährt man dann, wenn man es einfach vorlebt und ein Beispiel ist. Ich muss niemandem erzählen, dass ich trotz meiner veganen Ernährung gesund und munter bin. Die Leute sehen das selber, sie sehen auch selber, dass ich vielseitig esse, koche, in Restaurants gehe. Die Neugierde kommt dann von allein.
Hat das eurer Meinung nach eine Bedeutung für die vegane Bewegung insgesamt bzw. seht ihr dort ähnliche Trends?
David: Ich bemerke da ab und zu schon recht deutlich, dass alles ein bisschen freundlicher wird — aber nicht weniger bestimmt. Das ist vielleicht eine recht wichtige Unterscheidung. Nur, weil ich lauter schreie, vertrete ich die Sache nicht überzeugender und damit helfe ich auch der Bewegung nicht wirklich. Die Aufmerksamkeit steigt schon so mehr und mehr durch vegane Prominente zum Beispiel. Schockieren bringt schneller Aufmerksamkeit, die ist aber dafür auch schneller wieder weg. Ich glaube, ich spreche für uns beide, wenn ich behaupte, dass man die beste Überzeugungsarbeit mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Bestimmtheit leistet.
Habt ihr allein durch eure Beispielwirkung schon etwas bewirken können?
Annelie: Auf jeden Fall. Viele meiner FreundInnen sind erst durch mich auf die Thematik aufmerksam geworden und probieren vegane Lebensmittel aus, beschäftigen sich mit den hinter dem Veganismus stehenden Fragen. Eine Freundin ist sogar selbst den Schritt in eine vegane Lebensweise gegangen. Auch bei meiner Arbeit mit der Hochschulgruppe für Tierrechte merke ich immer wieder, dass es am besten ankommt, wenn man einfach nur ein Beispiel dafür darstellt, wie einfach man vegan leben kann. Und das, ohne dass man den Menschen um einen herum damit auf die Nerven gehen muss.
Besteht euer Freundes- und Bekanntenkreis eher aus VegetarierInnen/VeganerInnen oder eher aus omnivor lebenden Menschen? Spielt das Thema eurer Lebensweise oft eine Rolle bei euren gemeinsamen Unternehmungen?
Annelie: Das spielt überhaupt keine große Rolle, mir ist das tatsächlich relativ gleich. Selbst in meinen Partnerschaften spielt das keine Rolle — David ist mein erster Freund, der kein Fleisch isst. Veganismus wird aber trotzdem immer wieder ein Thema, allerdings nur, weil mich jemand etwas fragt oder das Thema in den Raum wirft, nie, weil ich damit anfange. Das kommt immer von den »Omnis«.
David: Ich finde das schon fast lustig: Das Klischee von den VegetarierInnen/VeganerInnen, die immer und überall von ihrer Ernährungsweise berichten, hat sich umgekehrt. Hört ein omnivor lebender Mensch, dass ich Veganer bin, fängt der nicht selten an, mir ungefragt Tricks und Tipps für einen gesunden Lifestyle zu geben, obwohl ich mit ihm darüber gar nicht sprechen möchte. Wenn er sich so sicher in seinen Ansichten ist, wieso muss er sie dann ständig vor mir und sich rechtfertigen? In meinem Freundeskreis sind mittlerweile die VeganerInnen in der Überzahl, aber auch in anderen Situationen wie im Restaurant mit der Familie wird alles einfacher. Ich denke, bei dem immens steigenden Angebot an veganen Produkten, dass es vielleicht noch nie so einfach war wie heute, auf vegan umzusatteln.
Habt ihr Tipps für Menschen in vergleichbaren Situationen?
Annelie: Behaltet die Nerven. Habt Geduld mit den Menschen um euch herum. Manchmal möchte man wirklich ausrasten, aber das bringt einfach nichts. Ihr wisst, dass ihr euch aus gutem Grund für ein veganes Leben entschieden habt, das reicht. Was andere denken und tun, ist erstmal nicht wichtig. Und es gibt immer liebe Menschen, die z. B. mit einem zum veganen Frühstücksbrunch gehen — dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.
Und zum Schluss: Verratet uns doch bitte noch eure jeweiligen Lieblingsgerichte.
David: Das Gute ist ja, dass ich alles gerne esse, und dass man mittlerweile zu fast allen Gerichten vegane Variationen findet. Wie schon gesagt: Es ist so einfach wie nie. Für dieses Mal empfehle ich »veganisierte« Käsespätzle. Statt veganem Käse nehme ich aber viel lieber selbst Hefeschmelz, schmeckt besser und kostet weniger Geld.
P.S. Wer sich für die Musik der beiden interessiert, findet hier weiterführende Informationen.