Die Diplom-Biologin Gabi Dröge betreibt seit sieben Jahren eine Auffangstation für Meerschweinchen und Kaninchen, die Notmeerschweinchen in Berlin, mit der sie mehr als ausgelastet ist. Hier erfahren Sie, weshalb sie so viel zu tun hat und weshalb für sie Tierschutz und vegane Lebensweise zusammengehören.
Gabi, wie kam es dazu, dass Du die Notstation für Meerschweinchen gegründet hast?
Ich habe schon von klein auf immer Meerschweinchen gehabt. Irgendwann kam der Punkt, an dem meine damalige Freundin und ich uns mehr und mehr in den Foren umgeschaut haben und zu dem Schluss kamen, dass wir mehr tun sollten und können, als drei Meeris ein schönes Zuhause zu geben. Nach vielen Gesprächen mit anderen Notstationen hatten wir uns dann 2007 entschlossen, selbst eine Aufnahmestation für Meerschweinchen, die Notmeerschweinchen in Berlin, zu gründen. Ein Jahr später kamen auch noch Kaninchen hinzu, da diese ja leider oft zusammen mit Meerschweinchen gehalten werden und wir die ersten gemischten Paare bekamen.
Wie muss man sich so eine Vermittlung vorstellen?
Nachdem sich einE InteressentIn gemeldet hat, gibt es zunächst ein ausführliches Telefonat, bei dem die Haltungsbedingungen und der Charakter des vorhandenen Tieres erfragt werden. Meist benötigen die InteressentInnen ein neues Partnertier für ein vorhandenes, dem der/die PartnerIn verstorben ist. Sofern die Haltungsbedingungen erfüllt sind, bringe ich das Tier persönlich vorbei und bleibe dann 1,5 bis 2 Stunden bei der Vergesellschaftung dabei. Die Tiere werden daher nur in Berlin/Brandenburg vermittelt. Meeris zu vergesellschaften, ist nicht immer einfach, besonders ältere Tiere akzeptieren nicht jeden als neuen Partner. Es kann zwei oder gar drei Versuchen bedürfen, bis das richtige Partnertier gefunden ist. Kaninchen sind sehr viel toleranter in der Partnerwahl, hier geht es jedoch oft hoch her bei der Vergesellschaftung und man braucht gute Nerven. Sofern die Vergesellschaftung geklappt hat, muss der/die neue HalterIn den Schutzvertrag unterschreiben und die Schutzgebühr entrichten. Mir ist es wichtig zu sehen, dass sich das Tier dort wohl fühlt und gut aufgehoben ist, auch wenn diese Vermittlungen meine Wochenenden immer sehr kurz machen.
Wie viele Tiere hast Du derzeit und wo kommen diese her? Erinnerst Du Dich an besonders schöne, überraschende oder auch traurige Erlebnisse?
Derzeit sind es 20 Tiere. Die meisten wurden ausgesetzt und zum Glück rechtzeitig gefunden, viele wurden auch aus Allergiegründen abgegeben oder weil es Familienzuwachs gab. Die Leute finden uns mittlerweile sehr schnell übers Internet. Wir selbst haben bislang fünf Tiere einfangen können, wovon ein Kaninchen (Flocki) hochschwanger war und zehn Tage später sieben gesunde Babies gebar. Die dreitägige Einfangaktion für Flocki und die anschließende Überraschung waren sicherlich ein Highlight in unserer Arbeit. Die vielen Menschen, die unsere Ratschläge annehmen und unseren Tieren letztlich ein artgerechtes Zuhause bieten können, sind immer wieder schöne Erfahrungen. Aber es gab auch traurige Erlebnisse, wo wir uns doch in dem Menschen, der dem Tier ein neues Zuhause geben wollte, völlig getäuscht hatten. Ein Tier ist qualvoll verhungert, weil die Besitzerin nicht aufpasste, und wir erfuhren es zu spät. Ein anderes wurde einer Schwangerschaft ausgesetzt, obwohl das laut Schutzvertrag verboten ist. Das Tier wäre aufgrund eines massiven Parasitenbefalls während der Schwangerschaft beinahe gestorben. Wir konnten sie und die drei Babys zum Glück rechtzeitig zurückholen. Aber das waren glücklicherweise absolute Ausnahmen. Regelmäßig kommen auch Tiere aus der Vermittlung zurück, wenn das Partnertier verstirbt und die Besitzer die Meeri-Haltung beenden wollen. Es ist mir sehr wichtig, dass solche »Rückläufer« jederzeit zu mir zurückkönnen, auch wenn es schade ist, dass sie ihr Zuhause verlieren.
Ein großer Prozentsatz der Deutschen hat ja Hunde, Katzen und andere »Haustiere«. Deutschland gilt als tierfreundliches Land. Kannst Du dem vorbehaltlos zustimmen?
Leider nein. Die Deutschen denken, sie sind tierfreundlich, weil fast jede(r) ein Haustier hat, aber nur die wenigsten werden den Bedürfnissen der Tiere wirklich gerecht. Alleingehaltene Hunde, Katzen oder Vögel sowie viel zu kleine Aquarien als Deko im Wohnzimmer sind das Paradebeispiel für falsch verstandene Tierliebe.
Gibt es wiederkehrende Fehler, die viele »HaustierhalterInnen« begehen?
Ja. Typisch ist, sich erst ein Tier oder einen Käfig anzuschaffen und sich dann zu belesen oder mal einen Allergietest zu machen. Ein zweiter häufiger Fehler ist, seinem Kind die Verantwortung für ein Tier zu überlassen, der es möglicherweise nicht gewachsen ist.
Wie stehst Du generell zum Thema der »Haustierhaltung«?
Haustierhaltung stellt immer einen enormen Eingriff in die Freiheit eines Tieres dar und kann daher m. E. nur gerechtfertigt sein, solange noch Tiere in Tierheimen auf ein Zuhause warten. Der Verkauf und die Zucht von Tieren sollten verboten bzw. bis zur Durchsetzung eines solchen Verbots weit stärker kontrolliert werden als bisher.
Reicht es nicht, wenn Du Dich um die Meerschweinchen kümmerst? Warum lebst Du zusätzlich vegan?
Ich lebe vegan, weil ich mir nicht den ganzen Tag für die Meerschweinchen die Arme ausreißen und abends eine Kuh oder ein Ei essen kann. Bei mir endet die Tierliebe nicht am Tellerrand und ist auch nicht auf einige Tierarten begrenzt. Ich verstehe Tierschutzarbeit als ganzheitliches Konzept, das sich durch das eigene Leben zieht. Ich habe jahrelang vegetarisch gelebt, hatte die üblichen Skrupel vor dem nächsten Schritt, z. B. hinsichtlich des Nicht-auf-Käse-verzichten-Könnens etc. Nachdem ich aber immer mehr Dokumentationen gesehen habe, bin ich 2011 letztlich Veganerin geworden und das zieht sich durch alle Produkte, die ich konsumiere. Es gibt einfach keine Alternative heutzutage und auch kein Zurück.
Was denkst Du, weshalb die meisten Menschen noch so willkürlich zwischen »Nutztieren« und »Heimtieren« unterscheiden?
Weil sie es nicht besser wissen, denke ich. Man wird von klein auf so erzogen, auch von der Gesellschaft, dass es Tiere gibt, die man essen darf und welche, die man liebhaben, aber nicht essen darf.
Siehst Du in dieser Hinsicht eine Veränderung, insbesondere auch bei den anderen (karitativ tätigen) Tierschutzvereinen?
Es wundert mich immer wieder, wie viele Menschen noch nicht den eklatanten Widerspruch zwischen Schlachten und Tierschutz erkannt haben. Insgesamt sehe ich aber auch bei vielen Tierschutzvereinen eine immer stärkere Tendenz zur vegan/vegetarischen Lebensweise.
Und zum Schluss: verrate uns doch bitte noch Dein Lieblingsgericht.
Mein Lieblingsgericht ist Falafel.