Interview mit Rohkost-Profi Boris Lauser

Boris Lauser
© Anett Melzer

Boris Lauser ist einer der bekanntesten deutschen Rohkost-Profis. Im Interview mit uns berichtet er über seinen Werdegang, gibt Tipps für den Einstieg und verrät, welche Fehler man als Rohkost-Neuling vermeiden sollte.

1. Boris, wann und wie hast du die rohköstliche Ernährung für dich entdeckt?

Eigentlich hat alles schon in der Kindheit angefangen. Als übergewichtiger Nutella-Junkie habe ich mit 16 Jahren aufgrund eines Buches von Dr. Bruker ein Jahr lang zuckerfrei gelebt. Danach musste ich den Probelöffel Nutella ausspucken, so eklig war das. Aufgrund von starken Allergieproblemen, chronischer Sinusitis und Hautproblemen habe ich mich auch während meines Studiums und meiner Tätigkeit bei der FAO der Vereinten Nationen in Rom immer mehr für gesunde Ernährung interessiert, da mir Ärzte nie wirklich helfen konnten. In Italien bin ich dann richtig zum Foodie geworden, da mich die Frische der Produkte, die Einfachheit der italienischen Küche und auch viele vegan-vegetarische Freunde immer mehr zur pflanzlichen Küche inspiriert haben. Letztendlich war es aber ein Stück roher Cheesecake und ein Shake im berühmten Café Gratitude in San Francisco, die mich im Jahr 2005 von der kulinarischen Fülle roh-veganer Küche überzeugt haben.

2. Mittlerweile ist deine Leidenschaft für Rohkost dein Beruf. Wie kam es dazu und was machst du genau?

Der Cheesecake und der Shake blieben mir so gut in Erinnerung – und vor allem auch die Atmosphäre des Cafés und die Energie der Menschen dort – dass ich immer wieder daran zurückdenken musste. Mein Job war zwar nicht allzu schlimm, aber wirklich Spaß hat es mir im Büro nie gemacht. Eigentlich hatte ich auch eine andere große Leidenschaft: das Zubereiten leckerer und gesunder Gerichte. 2008 habe ich meinen Job als Information Management Expert bei der UNO beendet und mich zum Raw Food Chef am Tree of Life Center in Arizona ausbilden lassen. Seitdem biete ich in Berlin in meinem kleinen Loft in Mitte einen »Gourmet Dinner Club« an. An ausgewählten Abenden biete ich dann ein fünf- bis sechs-gängiges Gourmet Menü an, bei dem ich es kulinarisch richtig krachen lasse und zeige, was man aus rohvegan zubereiteten Zutaten herausholen kann. Das ist immer noch das kreative Herz meiner Tätigkeit. Inzwischen bin ich aber auch breiter aufgestellt. Mein Hauptfokus liegt auf meiner Raw Chef Akademie, einer 6-tägigen Intensivausbildung zum zertifizierten Raw Chef Basic. Ab November 2017 gibt es dazu das Aufbau-Modul zum Raw Chef Advanced (Level 2). Auch in Bali und Thailand biete ich jährlich tolle Rohkost-Urlaube an, bei denen man in einer Woche in exotischer Umgebung viel lernt und schmeckt und eine tolle Zeit erlebt. Detox-Seminare, eine kulinarische Woche an der Ostsee und zahlreiche kleinere Kochkurse runden mein Angebot ab. Hinzu kommen Restaurant- und Hotelberatungen, Rezeptentwicklung und Showkoch-Events auf Messen und Veranstaltungen, und natürlich mein Buch »Go Raw Be Alive«, welches 2015 erschienen ist. Im Juli 2016 habe ich dann noch zusammen mit drei weiteren veganen Profis (Stina Spiegelberg für vegane Backkunst, Sebastian Copien für neue pflanzliche Küche und Niko Rittenau für Ernährungslehre) das Plant Based Institute gegründet, wo wir in einem sechsmonatigen Programm zum Plant Based Chef mit Abschlusszertifikat ausbilden. Es wird also nicht langweilig!

3. Viele denken beim Thema Rohkost an Karottensticks und Salat. Was bedeutet Rohkost für dich?

Natürlich sind Karottensticks und Salat Rohkost und das esse ich auch sehr gerne. Allerdings kommt es ja auch darauf an, wie man es serviert. Zu Karottensticks gibt es bei mir zum Beispiel Hummus aus Paprika und Sesam oder Paranuss-Baobab-Mayonnaise. In meinem Salat sind Wildkräuter, baumgetrocknete Oliven, ein paar Algenflocken, viel buntes Salatgemüse und ein Wildfrucht-Mango-Grapefruit Dressing oder eine schöne Vinaigrette mit heimischem Birnenbalsamico.

Aber dann gibt es auch Lasagne aus Muskatkürbis, Spinat und Bärlauch; Nusskäse-Variationen mit selbstgemachten gekeimten Dörrbrötchen; cremige warme Suppen; Dörrpasta aus Kürbisteig mit Bolognese aus gekeimten Kürbiskernen; luftige Mousse au Chocolat auf Mandelmilchbasis oder fermentierte Cheesecakes mit knusprigem Buchweizenboden und, und, und… :)

4. Welche körperlichen Veränderungen hast du persönlich nach deiner Ernährungsumstellung festgestellt?

Grundsätzlich ein viel besseres und leichteres Lebensgefühl. Der Körper sagt einem eher, was er braucht. Früher hatte ich häufig Probleme mit Allergien, mit der Haut und auch chronische Kopfschmerzen und Sinusitisbeschwerden. Das ist heute alles unter Kontrolle. Damit meine ich, dass die Grundsymptomatik oft nicht komplett verschwindet und man latent immer dazu neigt. Man kann da auch wieder hinkommen, wenn man zu viele Ausnahmen macht. Ich kann es aber jetzt für mich optimal kontrollieren, d.h. ich kann auch mal eine normale, gekochte Weizenpasta essen. Aber wenn ich das regelmäßig machen würde, dann würden auch die Probleme von früher langsam wieder zurückkommen. Dieses Wissen über seinen Körper ist eine unglaublich wertvolle Kraft. Dadurch wird man komplett unabhängig von äußeren Einfüssen und kann sich selbst und seine Gesundheit in Selbstverantwortung regulieren.

5. Welche Tipps hast du für absolute Rohkost-EinsteigerInnen? Gibt es Fehler, die man beim Umstieg von herkömmlicher Kost auf Rohkost unbedingt vermeiden sollte?

Oh ja, die gibt es. Immer wieder höre ich, »Das mit der Rohkost habe ich mal zwei Wochen gemacht, ging gar nicht, hab’ ich nicht verdaut und mir ging’s grottenschlecht«. Vollkommen klar! Wenn der Körper nicht an Rohkost gewöhnt ist, dann wird er diese neuen Speisen erstmal ablehnen. Ein komplett vegan lebender Mensch würde beim Verzehr eines Schnitzels auch sofort danach auf die Toilette springen. Der Körper produziert nur die Enzyme, die notwendig sind, um Bekanntes aufzuspalten und zu verarbeiten. Unbekanntes stößt er zunächst ab.

Das bedeutet, dass ich meinen Körper in kleinen Schritten an die Rohkost heranführen muss. Ein weiterer Fehler: Viele denken, Rohkost hieße, wirklich alles roh zu verzehren. Damit kann man allerdings ganz böse Fehler machen und sich sehr ungesund ernähren. Bei Nüssen, Samen und Getreiden sind Keimprozesse essentiell. Hier sollte sich jeder vorher ein gutes Buch zulegen und/oder einen Kurs besuchen, bevor er auf eigenen Faust »einfach mal Rohkost macht«.

Grüne Smoothies sind für jeden ein perfekter Einstieg, da man hier wie bei Babys erst einmal mit pürierter Nahrung beginnt, um das Verdauungssystem langsam an den erhöhten Gehalt von Gemüse und Ballaststoffen heranzuführen.

6. Welche Geräte und Grundnahrungsmittel sollte man als Rohkost-EinsteigerIn im Haus haben?

Ich kann mittlerweile nur jedem raten, sich einen guten Hochleistungsmixer zuzulegen. Dieser macht nicht nur für Rohkostanwendungen enorm Spaß, sondern ist ein Basiswerkzeug, um z.B. grüne Smoothies optimal cremig zu mixen, damit sie auch schmecken und bestmöglich verdaut werden. Für mehr Rohkost kann man sich dann einen Dörrautomaten, eine Küchenmaschine und einen Spiralschneider zulegen. Messer und Schneidebrett und für den Eisliebhaber noch eine Eismaschine, dann hat man schon die komplette Ausrüstung.

An Nahrungsmitteln habe ich immer ein gutes Trockenlager zu Hause: Meine Lieblings-Omega-3-Quellen (Lein-, Chia, und Hanfsamen) sind immer da. Kerne und Nüsse in allen Variationen, ein paar Trockenfrüchte, ein hochwertiges Olivenöl, Kokosöl, Mandelmus und/oder andere Nussmuse, ein paar Algenmischungen, gutes Ursalz, ein paar Gewürze, fertig gekeimte Getreide wie Buchweizen oder Hafer, Tamari, Miso, Kimchee oder Sauerkraut, ein guter Apfelessig und ein bis zwei Balsamico – dann hat man eigentlich schon alles, was man braucht.

7. Ist es teuer, sich rohköstlich zu ernähren?

Gleich vorweg: Nein. Es kommt natürlich immer darauf an, was man vergleicht. Wenn ich mich täglich von 2€-Dönermahlzeiten und Fertigprodukten aus dem Discounter ernähre und das dann mit jemandem vergleiche, der die besten Rohkostzutaten bestellt, fertige Rohkost-Cracker und Nusskäse oder Rohkost-Schokolade kauft (und zwar alles in Bioqualität), dann ist es natürlich sehr viel teurer. Wenn ich aber eine Rohkosternährung mit einer herkömmlichen, nicht veganen und vollwertigen Ernährung vergleiche, bei der teure Lebensmittel wie Biofertigprodukte, Biofleisch und Käsewaren gekauft werden, dann ist eine rohköstliche Ernährung sicher günstiger.

Basiszutaten wie Gemüse, Obst, Nüsse, Getreide, Samen und Öle etc. sind eigentlich sehr günstig. Man muss sich einfach grundsätzlich darauf einstellen, mehr selbst zu machen und einen größeren Anteil seines Einkommens für Essen auszugeben. In Deutschland liegen wir weit unter dem, was z.B. Menschen aus dem Mittelmeerraum für Essen ausgeben.

8. Was sind deine liebsten Zutaten beim Zubereiten von Rohkost-Gerichten?

Alles, was frisch und saisonal wächst. Ich arbeite mit allem, was der Zufall mir bringt und was gerade da ist und verarbeitet werden muss.

9. Was machst du, wenn du dich mal nicht mit Rohkost und Essen beschäftigst?

Viel Yoga, Schwimmen, Natur, Reisen, an den See fahren, Filme auf meiner großen Leinwand schauen und natürlich auch Essen gehen, aber das ist ja auch wieder essen… :)

10. Und zum Schluss: Was ist dein Lieblingsgericht?

Wahrscheinlich immer noch meine Raw Lasagne und Spaghetti Bolognese und als Nachtisch ein fluffiges Haselnussmousse oder eine luftige Mousse-Au-Chocolat-Tarte.

Vielen Dank für das Interview!

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