DGE bewertet vegane Ernährung neu

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat eine neue Position zur veganen Ernährung veröffentlicht. In dem 26-seitigen Positionspapier stuft die Fachgesellschaft eine gut geplante vegane Ernährung für gesunde Erwachsene als gesundheitsfördernd ein und bezieht auch die positiven Auswirkungen auf die Umwelt in die Bewertung mit ein. Damit unterscheidet sich das Positionspapier deutlich von früheren Versionen, in denen teils noch vor der veganen Ernährung gewarnt wurde. Wir haben die wichtigsten Aspekte für Sie zusammengefasst. Am Ende des Artikels finden Sie die aktuellen Handlungsempfehlungen.

Neue Bewertungskriterien

Bereits im März hatte die DGE die Überarbeitung ihrer lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen veröffentlicht und neben der Gesundheit erstmals auch den Aspekt der Nachhaltigkeit in ihre Empfehlungen aufgenommen. Das Ergebnis: Eine gesundheitsförderliche und ökologisch nachhaltigere Ernährung besteht laut DGE zu mehr als 75 % aus pflanzlichen und zu maximal 25 % aus tierlichen Lebensmitteln.

Bei der im Juni veröffentlichten Neubewertung der Position zur veganen Ernährung wurden dann zum ersten Mal alle vier Zieldimensionen einer nachhaltigen Ernährung (Gesundheit, Umwelt, Soziales und Tierwohl) berücksichtigt, wobei der Schwerpunkt auf den Dimensionen Gesundheit und Umwelt lag. Für die Dimensionen Soziales und Tierwohl werden relevante Einzelaspekte thematisiert. Für die Einschätzung wurden die Ergebnisse bereits bestehender systematischer Übersichtsarbeiten zusammengefasst (Umbrella Review) und ein ergänzendes systematisches Review durchgeführt.

Gesundheit

Nährstoffe

Laut DGE kann eine gut geplante, vollwertige vegane Ernährung für die gesunde erwachsene Allgemeinbevölkerung gesundheitsfördernd sein. Voraussetzung ist, dass Vitamin B12 supplementiert und auf die Zufuhr potenziell kritischer Nährstoffe geachtet wird. Zu diesen gehören laut DGE neben B12 auch Jod, Protein, langkettige Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D, Vitamin B2, Vitamin A, Calcium, Eisen, Zink und Selen. Im Gegensatz zu B12 können diese Nährstoffe durch die Zufuhr ausgewählter Lebensmittel und die Verwendung von jodiertem Salz gedeckt werden. Vitamin A könnte laut DGE ein weiterer potenziell kritischer Nährstoff sein, obwohl der Körper in der Lage ist, Provitamin-A-Carotinoide in Vitamin A umzuwandeln. Insbesondere für vulnerable Gruppen kann es jedoch schwierig sein, ausreichend Provitamin-A-reiche Lebensmittel zu verzehren. Die DGE weist darauf hin, dass hier weiterer Forschungsbedarf besteht.

Ernährungsbedingte Erkrankungen

Es gibt laut DGE Hinweise darauf, dass eine vegane Ernährung zum Teil positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat. So scheint eine gesunde vegane Ernährung das Risiko für ischämische Herzkrankheiten und Krebserkrankungen zu senken. Außerdem gibt es einen Trend zu einer geringeren Gesamtsterblichkeit.

Gleichzeitig scheint es bei veganer Ernährung ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche zu geben. Ein möglicher Grund dafür ist die niedrigere Calciumzufuhr sowie ein tendenziell schlechterer Vitamin-D-Status, weshalb Veganer:innen unbedingt auf eine ausreichende Versorgung achten sollten. Auch ein niedriger BMI (Body Mass Index) kann eine Ursache sein. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen insgesamt weist die DGE darauf hin, dass die Studienlage nicht eindeutig und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz (Certainty of Evidence) gering ist. Um die gesundheitlichen Auswirkungen einer veganen Ernährung wirklich beurteilen zu können, sind große, gut geplante Studien notwendig.

Zusammenfassend betont die DGE auch, dass eine vegane Ernährung – wie andere Ernährungsformen auch – nicht pauschal bewertet werden kann. Je abwechslungsreicher und vollwertiger eine vegane Ernährung ist, desto gesünder ist sie. Eine einseitige Ernährung erhöht dagegen das Risiko für Nährstoffmängel.

Kinder, Schwangere, Stillende und Senior:innen

Aufgrund der begrenzten Datenlage gibt die DGE keine Empfehlung für oder gegen eine vegane Ernährung bei vulnerablen Gruppen wie (Klein-)Kindern, Jugendlichen, Stillenden oder Schwangeren. Diese Einschätzung ist deutlich weniger kritisch als frühere Positionen, in denen die DGE eine vegane Ernährung in kritischen Lebensphasen nicht empfohlen hat.

Die DGE betont jedoch, dass in vulnerablen Gruppen besonders fundierte Ernährungskenntnisse vorhanden sein sollten, um sich vegan zu ernähren und empfiehlt daher eine Ernährungsberatung durch qualifizierte Fachkräfte. Da es kaum Daten zu vegan lebenden Senior:innen gibt, kann zu dieser Gruppe keine Aussage getroffen werden.

Klima und Umwelt

Erstmals bezieht die DGE in ihre Bewertung neben Gesundheit auch den Faktor Umwelt in ihre Empfehlungen mit ein. Auf der Basis von Ökobilanzierungen und Modellrechnungen haben die Wissenschaftler:innen die vegane Ernährung mit anderen Ernährungsformen verglichen. Die ausgewerteten Daten zu verschiedenen Umweltfaktoren wie Treibhausgasemissionen, Landnutzung und Biodiversitätsverlust zeigen insgesamt deutliche Vorteile einer veganen gegenüber einer omnivoren Ernährung. Die DGE stuft daher die vegane Ernährung als sehr umweltfreundlich ein und empfiehlt sie, um die Umweltbelastungen des Ernährungssystems zu reduzieren. Insbesondere das enorme Potenzial zur Reduktion von Treibhausgasemissionen sei durch eine Vielzahl von Studien belegt.

»Tierwohl« und Soziales

Da die bisherigen Ansätze zur Bewertung der Auswirkungen von Ernährungsweisen im Zusammenhang mit den Zieldimensionen Tierwohl und Soziales noch nicht genügend etabliert sind, kann die DGE hier kein abschließendes Urteil abgeben. Besonders der soziale Aspekt ist komplex und schwer zu erfassen. Auch beim Tierwohl ist der Bewertungsrahmen noch nicht ausreichend etabliert, allerdings geht die DGE davon aus, dass die vegane Ernährung hier am besten abschneidet.

Handlungsempfehlungen

Abschließend gibt die DGE Handlungsempfehlungen für eine gesundheitsfördernde vegane Ernährung, die wir im Folgenden für Sie zusammengefasst haben:

  • Vitamin B12 sollte supplementiert und die Versorgung regelmäßig überprüft werden.
  • Auf eine ausreichende Jodzufuhr sollte geachtet werden. Dies kann durch die Verwendung von Jodsalz und durch den Verzehr angereicherter Lebensmittel erreicht werden. Wenn nur wenig jodhaltige Lebensmittel gegessen werden, sollten Erwachsene ein Präparat mit 100 µg Jod pro Tag einnehmen, bei Jugendlichen und Kindern sollte eine ärztliche Beratung erfolgen. Algen und Algenpräparate, bei denen der Jodgehalt nicht deklariert ist, sind aufgrund der stark schwankenden Gehalte nicht zu empfehlen.
  • Die Versorgung mit Protein, langkettigen n-3-Fettsäuren, Vitamin D, Riboflavin (B2), Calcium, Eisen, Zink, Selen und ggf. Vitamin A sollte durch eine gezielte Lebensmittelauswahl sichergestellt werden.
  • Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Vollkornprodukte und Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Nüsse, pflanzliche Öle mit einem hohen Gehalt an α-Linolensäure (Raps- und Walnussöl) sollten regelmäßig verzehrt werden.
  • Salz und Zucker sollten nur in geringen Mengen verzehrt werden.
  • Für den Verzehr von Milch- und Fleischalternativen gibt es kein abschließendes Urteil, hier kommt es auf das jeweilige Produkt an.
  • Die Empfehlungen für vulnerable Bevölkerungsgruppen sind identisch mit den Empfehlungen »Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter« des Netzwerks Gesund ins Leben.
    • Schwangere sollten zusätzlich zur allgemein empfohlenen Supplementierung (Folsäure, Jod) dauerhaft ein B12-Präparat einnehmen. Nach ärztlicher Rücksprache können auch andere potenziell kritische Nährstoffe supplementiert werden. In jedem Fall ist auf eine ausreichende Versorgung zu achten.
    • Schwangere sollten zusätzlich 200 mg DHA pro Tag supplementieren, Stillende unabhängig von der Ernährung 100 µg Jod pro Tag einnehmen.
    • Vegan ernährte Säuglinge sollten mit B12 und ggf. weiteren kritischen Nährstoffen (z.B. Jod, Eisen) angereicherte Lebensmittel oder Nährstoffsupplemente erhalten.
    • Als Ersatz für Muttermilch sollten keine pflanzlichen Milchalternativen verwendet werden, sondern nur vegane Ersatzmilch, die mit essentiellen Nährstoffen angereichert ist.
  • Ernährungs- und Gesundheitsfachkräfte sollten der veganen Ernährung offen gegenüberstehen und bestmöglich unterstützen.
  • In der Gemeinschaftsverpflegung sollten mehr vollwertige vegane Gerichte angeboten werden.

Fazit

Wir begrüßen die neue Position der DGE und sind überzeugt, dass sie die gesellschaftliche Akzeptanz für den Veganismus weiter fördern wird. Die sachliche Darstellung von Studienergebnissen und Handlungsempfehlungen steht im Kontrast zu der oft emotional geführten Diskussion über das Für und Wider der veganen Ernährung und wird sicherlich dazu beitragen, dass Menschen ihre Ernährung mit weniger Bedenken pflanzlich gestalten.

Da die DGE Einfluss auf die Gemeinschaftsverpflegung hat und nun explizit ein größeres Angebot an veganen Speisen empfiehlt, sind wir zuversichtlich, dass diese Empfehlung auch umgesetzt wird. Auch die Empfehlung zum offenen Umgang des Fachpersonals mit der veganen Ernährung ist ein wichtiger Schritt.

Wenn Sie nun motiviert sind, die vegane Ernährung auszuprobieren, freuen wir uns, wenn Sie sich für unsere vegane Schnupperwoche anmelden. Auf unserer Website finden Sie zudem weiterführende Informationen zu Nährstoffen, Lebensmitteln und gesundheitlichen Auswirkungen.


Foto © Jlco-Julia-Amaral_shutterstock

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