Interview: Vegan in Indien

Vivek Venkatraghvan

Vivek Venkatraghvan setzt sich in Indien als Aktivist für die Tiere ein. Im Interview mit uns berichtet er über die vegane Bewegung in seinem Heimatland. Erfahren Sie, wie sich das vegane Leben in Indien gestaltet und welche innovativen Entwicklungen es auch im unternehmerischen Bereich gibt.

Viele Menschen in Europa glauben, dass man sich in Indien größtenteils vegetarisch ernährt – schließlich gehört ein Großteil der Bevölkerung dem hinduistischen Glauben an, welcher Kühe verehrt und lehrt, Tiere nicht zu verletzen. Ist das tatsächlich so oder ein Mythos?

Indien ist definitiv ein sehr VegetarierInnen-freundliches Land. Viele hier wachsen vegetarisch auf und bleiben dies auch ihr Leben lang. In den meisten Teilen des Landes gibt es zahlreiche vegetarische Restaurants. Fleisch wird zwar viel verzehrt, aber nicht so häufig wie in westlichen Ländern.

Hindus, die Fleisch essen, konsumieren üblicherweise kein Rind, da Kühe als heilig gelten. Allerdings endet die Verehrung genau hier. Die meisten InderInnen können sich keinen Tag ohne Milchprodukte in ihren cremigen Kaffees und mit Butter überladenen Soßen vorstellen. Lederschuhe, -gürtel und -taschen sind allgegenwärtig. Entsprechend denke ich, dass die meisten Leute nur wegen ihrer Erziehung und aufgrund des gesellschaftlichen Drucks kein Rind essen – und nicht wegen eines echten Mitgefühls mit den Tieren.

Wie verbreitet ist die vegane Ernährung in Indien? Weißt du, wie viele Menschen sich dort selbst als vegan bezeichnen?

Veganismus ist ein relativ neues Konzept in Indien und nicht so bekannt wie im Westen. Obwohl sich viele Leute als VegetarierInnen identifizieren, ist Milch ein Grundnahrungsmittel in den meisten indischen Haushalten. Durch den Anstieg an Tierrechtskampagnen und vegan-freundlichen Geschäften ändert sich die Situation definitiv rasant. Im Zuge dessen, dass sich die Menschen den Grausamkeiten in der Massentierhaltung bewusst werden, wechseln viele von ihnen zu einem mitfühlenderen Lebensstil. Infolgedessen wächst die vegane Gemeinschaft täglich und ich kann mir vorstellen, dass dieser Lebensstil in ein paar Jahren zum Mainstream gehören wird.

Ich weiß nicht, wie viele Leute sich als vegan bezeichnen, aber ich schätze, dass es einige Tausend sind.

Was sind in Indien die Hauptgründe für eine pflanzenbasierte Ernährung?

Meiner Meinung nach sind ethische Überlegungen der Hauptgrund. Die meisten Menschen finden die Misshandlung von Tieren falsch und sind entsetzt über die Praktiken in den Fleisch-, Ei- und Milchindustrien. Der Gesundheitsaspekt motiviert ebenfalls einige Leute zur pflanzlichen Ernährung – vor allem die, die Yoga praktizieren.

Wie ist es, in Indien vegan zu leben? Hat sich die Situation in den letzten Jahren verändert?

Es war schon immer sehr einfach, in Indien vegan zu leben! Vegetarisches Essen ist sehr verbreitet und die meisten vegetarischen Gerichte sind entweder von sich aus vegan oder können leicht veganisiert werden. Folglich ist es keine Herausforderung, essen zu gehen.

Komplett vegane Restaurants oder solche, die verstehen, was »vegan« bedeutet, gibt es nicht so viele wie im Westen. Diese Situation ändert sich aber, denn es werden viele neue Restaurants eröffnet, die entweder komplett vegan sind oder vegane Gerichte deutlich markieren. Große Städte wie Bengaluru, Pune, Chennai und Mumbai sind führend auf diesem Gebiet. Kleinere Städte wie Coimbatore sind jedoch nicht weit hinter ihnen zurück.

Vegane Milchsorten wie Sojamilch oder Mandelmilch und auch Tofu sind in Supermärkten – neben den üblichen veganen Produkten wie Obst, Gemüse, Nüsse, Samen usw. – gut verfügbar. Gewisse vegane Ersatzprodukte wie Käse- oder Joghurtalternativen sind in Supermärkten jedoch nicht so leicht zu finden.

Da die meisten Menschen das Konzept »Vegan« nicht kennen, sehen sich VeganerInnen üblicherweise mit verwirrten Gesichtern und Fragen konfrontiert. Die meisten Leute glauben, dass es sehr schwierig ist, sich vegan zu ernähren und dass man tierliche Produkte konsumieren muss, um gesund zu sein. Daher verbringen VeganerInnen viel Zeit damit, gängige Mythen zu entkräften und Fragen zu beantworten.

Gibt es in Indien vegane Unternehmen? Wenn ja, in welchem Bereich?

Mit dem wachsenden Bewusstsein für die Schrecken der Massentierhaltung und für die gesundheitlichen Auswirkungen tierlicher Produkte boomt der vegane Markt in Indien. In den letzten paar Jahren sind plötzlich mehrere vegane Restaurants und innovative Firmen aufgetaucht. Die meisten neu gegründeten Firmen konzentrieren sich auf den Lebensmittelsektor – hauptsächlich darauf, vegane Ersatzprodukte für Quark, Käse, Eis und Fleisch zu produzieren.

Es gibt jedoch auch Innovationen in anderen Bereichen. »Monk Story« ist eine rein vegane Marke für Schuhe und Accessoires in Chennai. Bei »Verdure« können Menschen aus einer breiten Palette von veganen Düften wählen. Die Innovationen in diesem Sektor haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen und ich bin mir sicher, dass wir derzeit nur die Spitze des Eisbergs sehen.

Was hat dich persönlich dazu inspiriert, dich für den vegan Lebensstil zu entscheiden?

Ich lebe aufgrund meiner Liebe zu Tieren vegan. Ich bin vegetarisch aufgewachsen und war schon immer gegen die Misshandlung von Tieren. Ich habe es mir immer zum Ziel gesetzt, Tiere nicht zu verletzen. Mir waren jedoch die Grausamkeiten in der Milchindustrie nicht bewusst. Als ich von den Schrecken erfuhr, die Kühe durchmachen, um Milch für den menschlichen Verzehr zu produzieren, schwor ich, niemals wieder Milch zu berühren. Kurz nachdem ich Milchprodukte aus meiner Ernährung gestrichen hatte, lernte ich, dass Veganismus sich auf viel mehr als nur Nahrung ausdehnt und hörte auf, jegliche tierlichen Produkten (Leder, Wolle, Seide, usw.) sowie Produkte von Unternehmen, die an Tieren testen, zu nutzen.

Auf welche Art und Weise trägst du zur Tierrechtsbewegung in Indien bei?

Für mich ist einer der effektivsten Wege, zur veganen Bewegung beizutragen, der Aktivismus.

Ich bin Mitglied des Tamil Vegan Movement, einer Gruppe Tierrechtsaktivisten in Chennai. Wir führen regelmäßig Events durch, mit denen wir Bewusstsein über die Schrecken der Massentierhaltung schaffen und die Vorteile des veganen Lifestyles aufzeigen. Unsere Kampagnen werden normalerweise positiv von der Öffentlichkeit aufgenommen und haben einige Leute dazu inspiriert, sich mit dem veganen Lifestyle auseinanderzusetzen.

Bevor ich nach Chennai gezogen bin, war ich Mitglied einer ähnlichen Tierrechtsgruppe in Bengaluru, der »Bengaluru Brigade for Animal Liberation«. Außerdem bin ich Mentor bei »Challenge 22+«, einem Online-Forum, das von der in Israel ansässigen Gruppe »Anonymous for Animal Rights« ins Leben gerufen wurde. Es unterstützt Menschen, die sich vegan ernähren möchten. Dadurch hatte ich die Gelegenheit, zahlreiche Menschen innerhalb und außerhalb Indiens auf ihrer veganen Reise zu begleiten.

Hat sich die Situation der Tiere in Indien in den vergangenen Jahren verändert?

Die Tierrechte in Indien haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Im Juni 2013 verhängte die indische Arzneimittelaufsicht ein Verbot, Kosmetika und ihre Bestandteile an Tieren zu testen. Damit war Indien das erste südasiatische Land, das solche Schritte unternommen hat. Dem folgte ein Einfuhrverbot für Kosmetika, die an Tieren getestet wurden.

Wenn für Medikamente bereits Ergebnisse von Tierversuchen aus dem Ausland vorliegen, dürfen sie in Indien nicht erneut an Tieren getestet werden. Das entschied das Ministerium für Gesundheit und Familienfürsorge im Jahr 2016.

In den letzten Jahren hat auch die Zahl der Tierrechtsaktivisten und Kampagnen zugenommen. Obwohl wir noch einen langen Weg vor uns haben, glaube ich, dass wir in die richtige Richtung gehen.

Vielen Dank für das interessante Interview, Vivek! Verrätst du uns zum Schluss noch dein Lieblingsgericht?

Mein Lieblingsgericht war schon immer »Dosa«, ein südindischer Pfannkuchen aus Linsen und Reis. Es ist nicht nur köstlich, sondern auch vegan! Dosas werden in der Regel mit Tomaten- oder Kokosnusschutney und einer auf Linsen basierten Soße, bekannt als »Sambar«, gegessen. Die Dosa ist ein sehr vielseitiges Gericht und kann auf verschiedene Arten zubereitet werden. Hier ist das Rezept für »Masala Dosa«, eine Dosa mit Kartoffelfüllung und Tomatenchutney.

Masala Dosa

Zutaten:

Für den Teig:

  • 1 Tasse Reis, regulär
  • 1 Tasse Reis, parboiled
  • 1/2 Tasse Linsen, schwarz, gespalten (urad dal)
  • 1/4 TL Bockshornkleesamen (methi)
  • Salz, nach Geschmack
  • Wasser, nach Bedarf

Für die Kartoffelfüllung:

  • 5 Kartoffeln, gekocht und gehackt
  • 11 Curryblätter
  • 1 EL Kichererbse, gespalten (chana dal)
  • 3 Zwiebeln, gehackt
  • 1/2 TL Senfsamen (rai)
  • 1 TL Kreuzkümmelsamen (jeera)
  • 1 Chili, grün und gehackt
  • 1 TL Ingwer, gerieben oder fein gehackt
  • 2 EL Koriander, gehackt
  • 1/2 TL Kurkumapulver (haldi)
  • 1 Prise Asant (hing), alternativ: Knoblauch
  • 3 TL Öl
  • Salz, nach Geschmack
  • Wasser, nach Bedarf

Für das Tomatenchutney:

  • 2 Tomaten, klein
  • 2 Zwiebeln, groß
  • 4 Chilis, rot
  • 3 Knoblauchzehen
  • 1 Prise Asant
  • Salz, nach Geschmack
  • Wasser, nach Bedarf
  • 2 EL Öl

Zubereitung:

Für den Teig:

Beide Reissorten gemeinsam in einem Sieb waschen und anschließend in einer großen Schüssel mit Wasser bedeckt für etwa sechs Stunden einweichen lassen. Den gleichen Prozess mit dem Urad Dal gemeinsam mit den Bockshornkleesamen durchführen.

Vom Dal-Einweichwasser etwa 1 EL in einen Mixer geben. Die eingeweichten Linsen (ohne weiteres Wasser!) mit den Händen aus der Schüssel in den Mixer füllen. Solange mixen, bis die Linsen eine seidige Konsistenz erreichen. Das kann einige Minuten dauern. Das Gerät zwischenzeitlich eventuell kurz ausschalten, damit es nicht überhitzt. Während des Mixens nach und nach weiteres Einweichwasser hinzugegeben – insgesamt maximal 50 ml. Der Teig sollte gießbar, aber nicht zu flüssig sein. Den Linsenteig in eine große Schüssel füllen.

Anschließend 350 ml Reis-Einweichwasser in den Mixer füllen. Den Reis mit den Händen hinzugeben (wie zuvor bei den Linsen). Wieder solange mixen, bis die Reiskörner fein vermahlen sind und der Teig relativ flüssig ist.

Nun den Reisteig zu dem Linsenteig geben und mit den Händen gut vermischen. Den Teig abdecken und für 9 Stunden gären lassen.

Für die Kartoffelfüllung:

Zuerst die Kichererbsen für 30 Minuten in heißem Wasser einweichen und anschließend abgießen und zur Seite stellen.

Nun die Senfsamen in etwas Öl anrösten. Die Kreuzkümmelsamen und Kichererbsen hinzugeben und scharf anbraten. Anschließend die Zwiebeln und Curryblätter in die Pfanne geben und anbraten, bis die Zwiebeln weich sind.

Ingwer, grüne Chilis, Kurkuma und Asant (bzw. Knoblauch) unterrühren. Dann die Kartoffeln und das Salz nach Geschmack unterheben und alles 2-3 Minuten braten. Falls die Masse zu trocken ist, kann etwas Wasser hinzugegeben werden. Den Herd abstellen und zum Schluss den Koriander unterheben.

Für das Tomatenchutney:

Öl in einer Pfanne erhitzen und die roten Chilis, den Knoblauch und die Zwiebeln braten bis sie goldbraun sind. Dann die Tomaten zugeben und braten, bis sie weich sind.

Sobald die Masse etwas abgekühlt ist, in einer Küchenmaschine pürieren und dabei Asant und nach Bedarf etwas Wasser zugeben.

Als Dip zu den Dosas reichen.

Für die Dosas:

Zum Zubereiten der Pfannkuchen eine antihaftbeschichtete Pfanne erhitzen. Die Pfanne kurz von der Herdplatte nehmen und eine kleine Kelle Teig in die Mitte geben. Mit der Kelle in Kreisen den Teig zu einem sehr dünnen Pfannkuchen von der Mitte nach außen verteilen. Anschließend etwas Öl darüber sprenkeln. Bei mittlerer Hitze backen, bis die Unterseite braun und knusprig ist. Eventuell wenden und auch die andere Seite backen.

Die Kartoffelfüllung auf den Pfannkuchen geben und diesen zuklappen. Für weitere 15-30 Sekunden in der Pfanne lassen und dann heiß servieren.

Masala Dosa

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