Deutschland gilt als ein Land der Fleischesser:innen – aber entspricht dieses Bild noch der Realität? Ein internationales Forscher:innenteam hat zu dieser Frage überraschende Erkenntnisse gewonnen. In ihrer Studie befragten die Wissenschaftler:innen aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland jeweils 1.000 Erwachsene aus Deutschland und Frankreich zu ihrer Meinung bezüglich Fleisch aus Zellkulturen und traditionellem Fleischverzehr.
Uneingeschränkte Fleischesser:innen sind in der Minderheit
Ein erstaunliches Ergebnis: Personen, die uneingeschränkt Fleisch essen, sind in Deutschland mittlerweile in der Minderheit. Weniger als 50 % bezeichnen sich selbst als Fleischesser:in, während sich 30,5 % flexitarisch und 6,5 % vegetarisch oder vegan ernähren. Und damit nicht genug: Von den befragten Deutschen, die noch Fleisch essen, gab die Hälfte an, dass sie ihren Fleischkonsum reduzieren möchte. Als Grund für ihren reduzierten Fleischverzehr gaben die meisten Befragten den Tierschutz an, dicht gefolgt von ökologischen Überlegungen.
»Die sozialen Auswirkungen [dieser Zahlen aus Deutschland] können sehr weitreichend sein«, sagt Christopher Bryant, ein an der Studie beteiligter Psychologe. Menschen, die Fleisch essen, rechtfertigen ihr Verhalten oft mit dem Argument, dass der Fleischverzehr schließlich »normal« sei. »Sobald dies aber die Ansicht der Minderheit ist […], wird sich der Trend wahrscheinlich in eine Richtung fortsetzen«, so Bryant. Deutschland ist dem Wissenschaftler zufolge an einem Wendepunkt angelangt – und zwar viel früher als erwartet.
Die Mehrheit interessiert sich für Fleisch aus Zellkulturen
Bereits seit einigen Jahren sind alternative Fleischprodukte ein großes Thema. Neben Produkten auf pflanzlicher Basis, die bereits verfügbar sind, entwickeln viele Unternehmen Fleisch aus Zellkulturen. Dabei handelt es sich um Steaks, Hühnerfilets und Co., die aus tierlichen Zellen hergestellt werden – also ganz ohne Tierhaltung und die damit verbundenen Probleme für Umwelt, Mensch und Tier.
In der Vergangenheit galten insbesondere die Menschen in den USA als offen gegenüber Fleisch aus Zellkulturen. Die Europäer:innen hat man dagegen als skeptischer eingeschätzt. Allerdings zeichnet die Studie ein ganz anderes Bild: Die Forscher:innen bezeichnen die Meinung der Deutschen zu Fleisch aus Zellkulturen sogar als »enthusiastisch«. Die meisten Befragten (knapp 56 %) würden demnach Fleisch aus Zellkulturen kaufen, wenn es verfügbar wäre. Auch die Mehrheit der Fleischesser:innen (53 %) würde konventionelles Fleisch mit diesen Produkten ersetzen.
Interessanterweise würden die meisten Befragten Fleisch aus Zellkulturen sogar den pflanzlichen Alternativen vorziehen. Auch im Vergleich mit Produkten aus Insekten (den angeblichen »Proteinlieferanten der Zukunft«) schneidet das Zellkultur-Fleisch deutlich besser ab.
Die Studie zeigt somit, dass Deutschland ein sehr erfolgversprechender Markt für Fleisch aus Zellkulturen sein kann. Man darf davon ausgehen, dass die Akzeptanz für diese Produkte in den letzten Monaten sogar noch weiter gestiegen ist – schließlich wurden die Menschen aufgrund der Corona-Pandemie für die Gefahr durch Zoonosen, die eng mit dem Fleischverzehr zusammenhängen, sensibilisiert.
Menschen aus der Fleischindustrie sind besonders offen für Fleisch aus Zellkulturen
Spannend ist auch ein Blick auf die demographischen Daten. Die Forscher:innen werteten aus, welche Faktoren eine höhere Akzeptanz für Fleisch aus Zellkulturen erwarten lassen. Dies war zum einen – wenig überraschend – ein geringes Alter: Je jünger die Person, desto offener ist sie für Alternativen. Zum anderen spielt aber auch der Beruf eine Rolle: Ausgerechnet die Personen, die in der »Nutztierhaltung« oder der Fleischverarbeitung arbeiten, zeigten eine deutlich höhere Bereitschaft, Fleisch aus Zellkulturen zu kaufen als der Durchschnitt. Diese Erkenntnis bezeichnen die Forscher als »neu und überraschend«.
Fazit
Die Studie macht in vielerlei Hinsicht Mut. Sie zeigt, dass Personen, die ihren Fleischkonsum einschränken, in Deutschland mittlerweile in der Mehrheit sind. Man kann hier also schon lange nicht mehr von einem bloßen »Trend« sprechen. Vegetarier:innen und Flexitarier:innen werden in Zukunft die Gestaltung unseres Ernährungssystem bestimmen und Alternativprodukte verstärkt nachfragen.
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