Youtuber und Kochbuchautor Philipp Steuer wollte nie Veganer sein: Warum er heute dennoch auf tierliche Produkte verzichtet und was es mit seinem neuen Buch und den »5 Phasen der Veganisierung« auf sich hat, erfahren Sie in unserem Interview.
Mit viel Humor, amüsanten Anekdoten und hilfreichen Tipps liefert Philipp mit seinem Spiegel-Bestseller »Ich wollte nie Veganer sein – warum Gemüse dennoch mein Fleisch wurde« eine unterhaltsame Grundlage für einen Einstieg in die vegane Ernährung.
Lieber Philipp, die wichtigste Frage zu Beginn: Wenn du ein Obst oder Gemüse wärst, welches wärst du?
(lacht) Ich glaube, ich wäre ein Brokkoli. Der ist lecker und wie ich groß gewachsen. Und ich finde es toll, dass er aus vielen kleinen Bäumen besteht. Eigentlich wie ein großer Baum. Brokkoli ist einfach cool.
Wie lange lebst du schon vegan und was hat dich dazu gebracht, vegan zu werden?
Vegan wurde ich vor ca. vier Jahren, vorher habe ich zwei Jahre vegetarisch gelebt. Als ich in einer Doku hörte, dass Schweine auf dem Weg zum Schlachter Angst empfinden, bekam ich das einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich möchte nicht, dass ein Lebewesen – nur weil ich gerade Lust habe, ein Tierprodukt zu essen – Angst hat. Gerade wenn man bedenkt, wie viele Alternativen es gibt. Dieses Wissen hat bei mir den richtigen Nerv getroffen.
Hinzu kam, dass ich total gerne Sport mache und viele Ultramarathonläufer – was ich sehr faszinierend finde – vegan leben. Das waren die Punkte, die bei mir ausschlaggebend waren. Das Praktische ist, dass ich zu Hause der Koch bin. Meine Frau Nadine backt sehr gerne. Und da haben wir gesagt, ›Komm, dann probieren wir das mal aus‹. Seitdem leben wir beide vegan.
Was hat dich dazu bewegt, das Buch »Ich wollte nie Veganer sein« zu schreiben?
Die Inspiration kam tatsächlich, weil ich auf Instagram und Youtube immer wieder die gleichen Fragen bekomme: ›Wie mache ich dies?‹, ›Wie kann ich jenes machen?‹. Ich hatte bei meinem eigenen Umstieg das Glück, dass ich Leute im Umfeld hatte, die mich unterstützt haben. Ich habe dann natürlich auch viel gelesen und gesehen, aber auch mir selbst fehlte damals einfach ein Buch in Form eines Erfahrungsberichts, das ohne erhobenen Zeigefinger einen persönlicheren Einstieg ermöglicht.
Ich bin ja studierter Online-Redakteur und der Journalismus hängt mir noch nach. Ich schreibe total gerne. Im Oktober letzten Jahres habe ich mich dann einfach drangesetzt. So ist dann auf kurzem Wege mit sehr vielen Stunden abends – wenn mein Kind geschlafen hat – das Buch entstanden. Das Praktische war, dass ich eigentlich nur das Erlebte sortieren und aufschreiben musste.
Für wen ist dein Buch geschrieben?
Für alle, die weniger oder gar keine Tiere und Tierprodukte mehr essen wollen, es aber nach wie vor tun. Für Leute, die sich fragen, ›Ich weiß nicht, ob es so geil ist, dass wir so viel Fleisch und so viele Tiere essen. Muss das denn sein? Gibt’s da einen Ausweg oder ein paar Optimierungspunkte, ohne dass ich von jetzt auf gleich vegan werden muss?‹
Das ist genau das, was ich mir damals als passionierter Fleischesser gewünscht hätte – so blöd es klingt. Ich habe das Buch also für die Allgemeinheit geschrieben.
Was sind die »5 Phasen der Veganisierung« und wie kann die Kenntnis davon Menschen helfen, ihren Tierproduktkonsum zu reduzieren?
Die 5 Phasen starten mit der Ablehnung: Das sind die Leute, die sagen: ›Boah auf keinen Fall! Auf meinen Grill kommt nichts Veganes.‹ oder ›Hab’ ich nichts mit zu tun. Lass mich damit in Ruhe.‹
Dann kommt die zweite Phase: Das Interesse. Alle, die dann sagen: ›Ja, ich esse eigentlich schon total gerne Fleisch und Käse, aber ich habe das Gefühl, dass die Massentierhaltung nicht das Wahre sein kann. Was kann man denn da machen?‹ Aus diesem Interesse folgt dann auch, dass man sich Dokus anguckt, dass man sich einliest, sich vielleicht einen Sportler, der vegan ist, als Beispiel nimmt und dann in der dritten Phase, der Euphorie, landet. In der heißt es dann: ›Komm, ich verändere jetzt wirklich aktiv etwas. Ich werde vegetarisch oder werde vielleicht auch vegan.‹
Man rennt los, probiert aus, entscheidet sich mal für einen veganen Burger oder für ’ne vegane Pizza und fragt sich ›Was ist eigentlich überhaupt alles vegan?‹
Das trifft dann oftmals auf die vierte Phase: Die Ernüchterung. Wenn man feststellt, dass beispielsweise in den Lieblingschips Magermilchpulver enthalten ist anstatt Zucker, weil das noch billiger ist. Aber man isst die total gerne.
Wir sind ja alle Gewohnheitstiere und wollen eigentlich ungern unsere Gewohnheiten ändern. Dann hat man vielleicht noch Arbeitskolleg:innen oder die eigene Familie, die vegan total blöd finden. Es kommen diese ganzen Faktoren auf einen zu, die die Veränderung beeinflussen. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Es gibt dann einige Leute, die sagen, dass ihnen das zu viel Stress ist und sie lieber wieder zu Phase eins oder zwei gehen.
Und es gibt die, die es dann umsetzen, in die Phase der Veränderung kommen und feststellen, dass der Aufwand immer geringer wird, sie sich besser fühlen und sie tolle neue Rezepte entdecken.
Dieser Prozess lässt sich bei den meisten wiederfinden. Wenn man sich zwischendurch vegetarisch ernährt, befindet man sich ein Stück weit zwischen den Phasen, da man ja Gründe hat, warum man sich nur vegetarisch ernährt. Weil einem vielleicht der Käse fehlt. Das wäre dann in Richtung Phase der Ernüchterung.
Dieses Modell hat sich bisher eigentlich immer bewahrheitet. Es hilft zu wissen, wo sich der Mensch gerade befindet, der etwas verändern möchte.
Dein Buch ist mit viel Humor gespickt. Wie wichtig ist Humor deiner Meinung nach auf einer Skala von 1-10 für (angehende) Veganer:innen in unserer Welt? Und warum?
Auf jeden Fall 11!
Es gibt so viel Fürchterliches auf der Welt, egal wo man hinguckt. Ich versuche deshalb, vieles mit Humor zu nehmen. Humor hilft dabei, schwierigere und härtere Themen zu ummanteln und dadurch zugänglicher zu machen.
Die eigene Ernährung ist sehr tief in uns verankert, weshalb sie für viele Menschen ein sehr ernstes Thema darstellt. Wenn man selbst das Ganze jedoch nicht zu ernst nimmt, lachen Menschen mit einem und sind viel eher bereit, für Veränderung zu sorgen. Auch für sich, weil man dann merkt, ›Okay, das ist alles gar nicht so engstirnig und kann sogar Spaß machen.‹
Apropos: Kennst du einen Witz über Veganer:innen?
Boah, jetzt erwischt du mich richtig hart. Mir fällt dieser ein: ›Wie nennt man Kinder von Veganer:innen? Sprösslinge.‹
Aber mein Lieblingswitz ist dieser hier:
›Viele Leute sagen ja immer, dass vegan so teuer wäre. Seit ich vegan bin, wollen viel weniger Leute mit mir essen gehen. Also ich spare deutlich.‹
Meistens ist der Lacher auf meiner Seite. Dann kann man sagen ›Komm, wir gehen mal in ein richtig tolles veganes Restaurant‹ und das mache ich dann auch meistens. Zum Beispiel in das Sattgrün in Köln. Das hat ein veganes Buffet – da gibt’s alles.
Was war das dümmste Anti-Vegan Argument, das du je gehört hast?
Das Dümmste? Ach, es gibt natürlich viele, die einfach auf Unwissenheit beruhen. Aber ich werde immer damit konfrontiert, dass ich ja so dünn und ausgemergelt aussehe. Das ist Quatsch, weil ich immer schon so aussah. Ob ich jetzt Fleisch gegessen habe oder nicht – ich war immer schon sehr groß und sehr schlaksig. Mein bestes Argument ist, dass ich, nachdem ich auf vegan umgestellt habe, in 6 Monaten 3 Marathons gelaufen bin. Jetzt nicht ultra schnell, aber ich habe es geschafft. Mein Körper hat gehalten. Das zeigt ja eigentlich nur, dass es funktioniert.
Man kann vielen Leuten aber gar keinen Strick daraus drehen, denn das Thema Ernährung findet in unserem Bildungssystem nicht statt. Ich habe Abi, ich habe studiert, ich habe alles klassisch gemacht: keine Chance. Selbst Ärzt:innen wissen da oft wenig, weil Ernährung im Studium keine Rolle spielt. Das sollte sich ändern.
Dein ultimativer Tipp für neue Veganer:innen und diejenigen, die es werden wollen?
Jeder Mensch hat ca. zehn Gerichte, die er immer gern kocht und aus dem Kopf weiß. Es hilft, sich da einfach mal hinzusetzen, die Gerichte auseinanderzunehmen und zu schauen, was denn z. B. bei Spaghetti Bolognese nicht vegan ist. Viele Menschen wissen gar nicht, dass Nudeln – oft sogar die billigsten – vegan sind, weil da kein Mensch mehr Ei reinhaut. Dann hab ich schonmal die Grundlage. Tomatensoße ist normalerweise auch vegan und dann fehlt nur das Hackfleisch. Da gibt es mittlerweile so gute Alternativen, die man einfach kaufen kann. Und ›Bumm‹ habe ich mein Lieblingsessen veganisiert.
Oft liegt es auch nur an den Gewürzen. Wenn man die gleichen Gewürze und fast die gleichen Inhaltsstoffe nimmt, dann merkt man recht schnell, was man alles veganisieren kann. So kann man sehr gut Veganes in den Alltag etablieren und feststellen, dass es doch leichter ist als gedacht.
Zu guter Letzt: Was ist dein Lieblingsessen und -dessert?
Meine Frau macht super gutes Bananenbrot, aber ich liebe aktuell auch das vegane Fürst Pückler Eis von der Rewe Eigenmarke. Davon habe ich mehrere Packungen im Kühler und freue mich da jeden Abend drauf.
Und ich bin ein riesiger Fan von Pasta mit verschiedenen Soßen. Vor allem Grilled-Veggie-Pasta liebe ich, bei der du das ganze Gemüse in den Ofen packst, backst, dann in den Mixer haust und daraus eine Soße machst. Dadurch kombinierst du einfach das Gesunde mit dem Leckeren – den Nudeln. Das ist außerdem schnell gemacht und daher perfekt für Leute, die wenig Zeit haben. Das ist auch etwas, das wir gerade viel während unseres Umzugs essen.
Vielen Dank für das Interview, Philipp!
(ltb)
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