Als Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde an der Charité setzt sich Prof. Andreas Michalsen für alternative Methoden wie Achtsamkeitstraining ein, forscht als renommierter Wissenschaftler und gilt als Experte für vegetarische Ernährung in der Medizin. Zu seiner spannenden Arbeit stand er uns Rede und Antwort.
Vegan Taste Week (VTW): Prof. Michalsen, würden Sie sich kurz unseren Leserinnen und Lesern vorstellen?
Mein Name ist Andreas Michalsen, ich leite die Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin und habe eine Professur an der Charité für klinische und Naturheilkunde. Ich bin Internist und Arzt für Ernährungsmedizin und Naturheilverfahren.
VTW: Sie vertreten offen die Vorteile vegetarischer Ernährung in der Medizin. Wie sind Sie selbst zu dem Thema gekommen?
Ich bin langjährig kardiologisch ausgebildet und habe so angefangen mich mit dem Forschungsthema gesunde Ernährung zur Vermeidung von Herzinfarkten zu beschäftigen. Dabei wurde deutlich, dass die pflanzenbasierte Ernährung am meisten Vorteile für die Patientinnen und Patienten bringt. Dadurch habe ich auch angefangen, mich selbst vegetarisch zu ernähren und so hat sich der Kreis geschlossen.
VTW: Welche Vorteile bringt vegetarische Ernährung – generell und in der Medizin – mit sich? Überwiegen Ihrer Ansicht nach die bereits erwähnten kardiologischen Vorteile?
Die Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Bluthochdruck und Schlaganfall sind weiterhin die Erkrankungen, bei denen man den Nutzen vegetarischer Ernährungsformen am deutlichsten sieht. Die Erkenntnisse dazu haben sich aber verbreitert, z. B. hinsichtlich Rheuma und entzündlichen Erkrankungen.
VTW: Raten Sie Ihren Patientinnen und Patienten in der Beratung offen zu einer vegetarischen Ernährung? Wenn ja, wie wird die Empfehlung angenommen?
Ja, ich rate allen Patientinnen und Patienten zu einer lacto-vegetarischen Ernährung, d. h. kleine Mengen Käse sind in meiner Ernährungsberatung noch mit drin. Jedoch sage ich auch, dass eine vegane Ernährung, wenn sie denn umsichtig durchgeführt wird und Vitamin B12 supplementiert wird, die gesündeste Ernährung ist. Ich steige bei der Beratung auch deshalb mit der vegetarischen Ernährung ein, weil die Umstellung dann leichter fällt, so ist die Einstiegsschwelle nicht so hoch.
VTW: Welche Hindernisse oder skeptischen Nachfragen hören Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten beim Umstieg auf die vegan-vegetarische Ernährung? Welche hilfreichen Tipps geben Sie Ihnen dann?
Die meisten wissen heutzutage um die Vorteile der pflanzenbasierten Ernährung. Es ist also keine Überraschung für sie und es wird auch kaum noch dagegen opponiert. Als Tipp gebe ich den Patientinnen und Patienten mit, sich für die Umstellung drei Monate Zeit zu nehmen. In dieser Zeit sollen sie den Empfehlungen folgen, ohne viel darüber nachzudenken, denn solange brauchen unsere Geschmacksrezeptoren um sich umzustellen. Nach diesem Zeitraum hat sich das Verlangen nach fettig und salzig verringert. Zudem sollen sie sich auch diese drei Monate für ihre Verdauung nehmen, denn auch diese braucht Zeit, um sich an die Veränderung zu gewöhnen. Außerdem rate ich, sich mehr Zeit beim Kochen und bei den Mahlzeiten zu lassen. Wenn sich Menschen schwer tun, rate ich ihnen zu einem schrittweisen Vorgehen, also z. B. den Fleischkonsum auf einmal pro Woche zu reduzieren.
VTW: Wie sieht ein »normaler« Arbeitstag für Sie aus?
Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. Oft bin ich morgens für zwei bis drei Stunden bei der Visite, dann gibt es Teammeetings und Wissenschaftsbesprechungen, bei denen Studien besprochen werden. Nachmittags ist die Sprechstunde für ambulante Patientinnen und Patienten. Danach schreibe ich häufig an Artikeln oder bereite Vorträge vor.
VTW: Und zuletzt eine persönliche Frage: Was ist Ihr Lieblingsessen und was haben Sie heute gefrühstückt?
Ich finde sehr viele vegetarische und vegane Gerichte sehr lecker, aber mein Favorit sind im Moment vietnamesische Gerichte. Über meine Beschäftigung mit Ayurveda und der indischen Medizin bin ich aber auch ein großer Freund der indischen Küche, vor allem der Auberginengerichte. Was ich heute Morgen gefrühstückt habe, ist eine interessante Frage, da ich mich ja auch viel mit dem Thema Fasten beschäftige – deshalb habe ich heute Morgen nichts gefrühstückt. Ich versuche, zwischen meiner Mahlzeit am Abend und der folgenden Mahlzeit etwa 16 Stunden Abstand zu lassen. Viele Untersuchungen zeigen, dass diese Essenspause sehr gesund ist. Die zwei Mahlzeiten am Tag sind dann aber auch entsprechend größer.
VTW: Herzlichen Dank für das interessante Interview, Prof. Michalsen!
Foto © Immanuel Krankenhaus Berlin
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